Dieser Artikel beleuchtet die Liquid Biopsy (Flüssigbiopsie) als minimal-invasive Methode zur Krebsfrüherkennung. Erfahren Sie mehr über Funktionsweise, Anwendungsfelder, Vorteile gegenüber herkömmlichen Biopsien und welche Krebsarten erkannt werden können.

Krebs ist eine der häufigsten Todesursachen weltweit. 2020 wurden 10 Millionen Todesfälle infolge einer Krebserkrankung verzeichnet, wobei jedes Jahr etwa 19,3 Millionen neue Fälle gemeldet werden. Krebs ist für ca. jeden 6. Todesfall verantwortlich. Durch die Erkennung aggressiver Tumore in einem früheren Stadium kann eine effktivere Krebstherapie ermöglicht werden. Dies verbessert nicht nur die Lebensqualität von Krebspatienten, sondern erhöht auch die Überlebensraten bei vielen Tumorerkrankungen.

Krebsdiagnosen werden häufig durch sogennante Biopsien gestellt, bei denen eine Probe aus dem verdächtigen Gewebe entnommen wird. Hierbei handelt es sich oft um eine aufwändige und invasive Prozedur, welche durch einen spezialisierten Arzt vorgenommen werden muss und nur bei begründetem Verdacht auf eine Krebserkrankung vorgenommen wird. Die Liquid Biopsy ermöglicht eine vereinfachte Krebsdetektion im Frühstadium und kann im Vergleich zur klassichen Biopsien deutlich schneller und risikoärmer durchgeführt werden.

Im folgenden Artikel geben wir dir einen Überblick, über die Funktionsweise der Liquid Biopsy, wann sie eingesetzt wird und welche Vorteile sie gegenüber einer Gewebebiopsie bietet.

Was ist Liquid Biopsy (Flüssigbiopsie)?

Liquid Biopsy (deutsch: Flüssigbiopsie) ist ein Labortest, bei dem Zellbestandteile aus Körperflüssigkeiten (zumeist Blut) gewonnen werden und auf tumorspezifische Marker untersucht werden, welche von Krebszellen freigesetzt werden.

Die mittels Liquid Biopsy gewonnenen tumorspezifischen Marker finden in der Krebsmedizin (Onkologie) verschiedene Anwendungen: Sie sind insbesondere vieleversprechend bei der Diagnostik verschiedener Tumorerkankungen, bevor diese durch die Betroffenen selbst bemerkt werden. Darüber hinaus eröffnet die Liquid Biopsy neue Perspektiven zur Abschätzung des Therapieansprechens sowie der Prognose bietet einen vielversprechenden Ansatz der personalisierten Krebsmedizin.

Wie funktioniert die Liquid Biopsy?

Nach der Blutabnahme wird die Blutprobe analysiert und zirkulierende Tumorzellen oder Turmor-Erbgut im Blut nachgewiesen.

  1. Zirkulierende TumorzellenZirkulierende Tumorzellen („circulating tumor cells“, CTCs) sind bösartige (maligne) Zellen, welche von Tumoren in die Blutbahn freigesetzt werden. Sie wandern über den Blutkreislauf oder das Lymphsystem in andere Bereiche des Körpers und können Metastasen in entfernten Körperregionen verursachen. Die Anzahl der messbaren CTCs ist von mehreren Faktoren abhängig, unter anderem der Tumorart, dem Tumorstadium, sowie den Untersuchungsmethoden.
  2. Zellfreie DNABei der zellfreien DNA („cell-free DNA“, cfDNA) handelt es sich um Erbgut-Fragmente, welche als Abbauprodukte von Tumorzellen sowie gesunden Zellen in den Blutkreislauf abgegeben werden. Mittels Blutanalysen können durch die Messung der cfDNA, Tumoren im Frühstadium ebenso wie ein Therapieansprechen und Rezidive (Rückfall) erkannt werden.

Neben den Tumorzellen und der zellfreien DNA können außerdem weitere Marker wie zellfreie mitochondriale Tumor-RNA (cfmiRNA) oder Exosomen zur Früherkennung und Überwachung von Krebs eingesetzt werden.

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Adaption, Quelle

Anwendungsfelder der Liquid Biopsy

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Adaption, Quelle

Die in der Liquid Biopsy angewendeten Verfahren sind in den letzten Jahren immer weiter fortgeschritten. Im Folgenden geben wir dir einen Überblick über einige der verschiedenen Anwendungsfelder:

  • Frühe Tumordetektion: Mit Hilfe der Liquid Biopsy lassen sich gewissen Tumorarten bereits in einem frühen Stadium entdecken, in welchem sie oftmals noch keine Symptome erzeugen und somit von den Betroffenen selbst nicht entdeckt werden. Dies ist insbesondere wichtig, da die allermeisten Tumorarten in frühen Stadien deutlich besser therapierbar und potentiell heilbar sind.
  • Tumorcharakterisierung: Die Kenntnis über das detaillierte molekulare Tumorprofil ist inbesondere für die optimale Therapieplanung entscheidend. Klassisch durchgeführe einzelne Tumor-Biopsieproben können angesichts der Heterogenität des Tumors zu einer Fehleinschätzung der Tumorgenomik führen.
  • Therapieansprechen: Die Liquid Biopsy kann als Instrument zur frühzeitigen Beurteilung des Therapieansprechens verwendet werden und bietet Potential als Ergänzung zu den üblichen bildgebenden Untersuchungen eingesetzt werden.
  • Vorhersage: Die Bestimmung, welche Patienten von einer Therapie profitieren werden, ist wichtig für die therapeutische Entscheidungsfindung. Es hat sich zum Beispiel gezeigt, dass die durch Next-Generation-Sequenzierung von Tumorgewebe nachgewiesene Tumormutationslast mit dem Ansprechen auf Immun-Checkpoint-Inhibitoren korreliert und wichtige Informationen bezüglich des Therapieansprechens liefern kann.
  • Therapieoptionen analysieren: Die Bestimmung von therapierbaren Veränderungen in Tumoren ist für einen präzisionsmedizinischen Behandlungsansatz von entscheidender Bedeutung. Während diese Informationen traditionell aus invasiven Tumorgewebebiopsien gewonnen wurden, erweisen sich Informationen aus der Liquid Biopsy als potentiell sehr wertvoll. Es gibt bereits mehrere von der Food and Drug Administration (FDA) zugelassene Tests, welche zum Beispiel bei nicht-kleinzelligem Lungenkrebs sowie bei Brustkrebs eingesetzt werden.

Welche Krebsarten können mit Liquid Biopsy erkannt werden?

Mit einer Liquid Biopsy können unter anderem folgende Krebsarten erkannt werden, allerdings nicht mit der gleichen Genauigkeit:

  • Lungenkrebs (Nicht-kleinzelliges Lungenkarzinom (NSCLC))
  • Brustkrebs (Mammakarzinom)
  • Gallengangskarzinom (Cholangiokarzinom)
  • Darmkrebs (Kolorektales Karzinom)
  • Prostatakrebs (Prostatakarzinom)
  • Harnblasenkarzinom (Urothelkarzinom)
  • Schilddrüsenkarzinom

Vorteile der Liquid Biopsy

  • Minimal-invasiv
  • Risikoarm
  • Wiederholbare Probenentnahme
  • Alternative bei schwer erreichbaren Tumoren
  • Ganzheitliche Tumorcharakterisierung
  • Frühere Erkennung von Rückfällen und Therapieresistenzen
  • Schnell verfügbare Ergebnisse

Minimal-invasives Verfahren

Da bei der Flüssigbiopsie eine Blutprobe anstatt Gewebeprobe entnommen wird, kann das Verfahren minimal-invasiv und ohne Betäubung durchgeführt werden. Insbesondere bei aufwändigeren Screeningmethoden, wie einer Darmspieglung, kann es zukünftig möglich sein, vorab eine Liquid Biopsy durchzuführen, um eine Indikation für eine Darmspiegelung zu erhalten.

Risikoarme Methode

Da es sich bei der Liquid Biopsy um eine einfache Blutentnahme handelt, kommt sie bei Krebsarten infrage, bei denen eine herkömmliche Gewebebiopsie riskant sein kann. Dies ist beispielsweise bei einem Hirntumor der Fall. Zusätzlich ist die Liquid Biopsy weniger schmerzhaft und birgt weniger Risiken wie Blutungen oder Tumorzellverschleppung.

Wiederholbare und serielle Probenentnahme

Dadurch, dass es sich bei der Liquid Biopsy um einen einfachen Bluttest handelt, kann Probenmaterial regelmässig entnommen werden. Dadurch eignet sich diese Methode sehr gut zur Verlaufskontrolle (Monitoring) von Krankheiten. Serielle Probenentnahmen können helfen, Veränderungen im Tumorprofil frühzeitig zu erkennen und die Behandlungsstrategie entsprechend anzupassen. So sind nach einer Chemotherapie beispielsweise keine regelmässigen invasiven Eingriffe mehr geplant, um zu überprüfen, ob es neue Varianten gibt, die eventuell zu einer Resistenz führen können.

Alternative bei schwer erreichbaren Tumoren

Bei einigen Tumoren, insbesondere solchen, die sich an schwer erreichbaren Stellen im Körper befinden oder zu klein sind, um mit herkömmlichen Bildgebungsverfahren identifiziert zu werden, kann die Liquid Biopsy eine wertvolle Alternative zur Gewebebiopsie darstellen.

Ganzheitliche Tumorcharakterisierung

Die Liquid Biopsy ermöglicht eine umfassende Charakterisierung des Tumors auf molekularer Ebene durch die Analyse von zirkulierenden Tumorzellen, zellfreier DNA, RNA, Exosomen und anderen Markern. Diese ganzheitliche Betrachtung ermöglicht dass die Ärzte ein genaueres Bild davon bekommen, wie sich der Krebs entwickelt und ob er gegen bestimmte Behandlungen widerstandsfähig ist. Und dies wiederum kann zu einer personalisierten und effektiveren Behandlungsstrategie führen. Weiterhin ist die Analyse der tumorspezifischen Marker nicht lokal auf den Tumor begrenzt.

Frühere Erkennung von Rückfällen und Therapieresistenz

Durch regelmässige Überwachung mittels Liquid Biopsy können Rückfälle und die Entwicklung von Therapieresistenzen frühzeitig erkannt werden, noch bevor klinische Symptome auftreten oder Tumoren mit bildgebenden Verfahren sichtbar werden. Dies ermöglicht eine rechtzeitige Anpassung der Behandlungsstrategie, um den bestmöglichen klinischen Nutzen für den Patienten zu erzielen.

Schnell verfügbare Ergebnisse

Bei einer Gewebebiopsie wird zuerst Gewebe entnommen, danach in der Regel präpariert, geschnitten und im Anschluss analysiert. Bei einer Liquid Biopsy kann direkt nach der Probenentnahme die zellfreie DNA isoliert werden und nach zirkulierender Tumor-DNA gesucht werden. Daher liegen die Ergebnisse häufig deutlich schneller vor als bei einer Gewebebiopsie vor.

Vor allem die Kombination aus Magnetresonanztomographie (MRI) und Liquid Biopsy kann eine sehr gute Überwachungskombination sein. Während die Liquid Biopsy detaillierte molekulare Informationen über den Tumor und seine genetischen Eigenschaften liefert, ermöglicht das MRI eine hochauflösende Bildgebung der Struktur, Grösse und Ausbreitung des Tumors im Körper. (verlinken MRI 101).

Wie hoch ist die Erfolgsquote mit Liquid Biopsy Krebs zu erkennen?

Die Erfolgsquote, Krebserkrankungen mittels Liquid Biopsy zu erkennen, variiert je nach Krebsart. Klinischen Studien zufolge werden die besten Ergebnisse durch eine Kombination aus mehreren tumorspezifischen Markern erzielt. Hier lag die Sensitivität zwischen 33 und 98 % bei Krebserkrankungen der Eierstöcke, Leber, Magen, Bauchspeicheldrüse und Speiseröhre.

Eine in den USA durchgeführte Studie konzentrierte sich auf die Entwicklung und Evaluierung eines nicht-invasiven Bluttests namens CancerSEEK zur Erkennung von acht häufigen Krebsarten: Eierstock-, Leber-, Magen-, Bauchspeicheldrüsen-, Speiseröhren-, Dickdarm-, Lungen- und Brustkrebs. Der Test kombiniert die Bewertung von zirkulierenden Protein-Biomarkern und tumorspezifischen Mutationen in der zirkulierenden DNA.

Anhand dieser Studie liessen sich folgende Erfolgschancen für eine Erkennung nach Krebsart ableiten:

Krebsart Sensitivität
Eierstock 98 %
Magen 83 %
Speiseröhre 83 %
Darm 71 %
Leber 69 %
Lunge 45 %
Brust 33 %

Fazit

Die Liquid Biopsy oder Flüssigbiopsie, hat das Potenzial, Krebsdiagnostik und -therapie grundlegend zu verändern. Angesichts der alarmierenden Statistiken zur Krebsprävalenz und -mortalität weltweit ist die Bedeutung dieser innovativen Technologie nicht zu unterschätzen.

Durch die Analyse von Zellbestandteilen aus Körperflüssigkeiten wie Blut können tumorspezifische Marker identifiziert werden, die Einblicke in das Vorhandensein und den Verlauf von Krebserkrankungen ermöglichen. Von der Diagnose bis zur Überwachung von Therapieresistenzen bietet die Liquid Biopsy eine nicht-invasive, risikoarme und regelmässig anwendbare Alternative zur herkömmlichen Gewebebiopsie.

Die Liquid Biopsy eröffnet auch neue Möglichkeiten für die Früherkennung von Krebs, indem sie potenziell sogar Krebsvorstufen aufdecken kann. Trotz ihrer zahlreichen Vorteile kann sie jedoch die Gewebebiopsie nicht vollständig ersetzen, sondern sollte vielmehr als Ergänzung betrachtet werden, um die Genauigkeit und Effizienz der Krebsdiagnostik zu verbessern.