Erfahre alles zum neuen Trend "Ganzkörper MRI" zur Gesundheitsvorsorge und Früherkennung von Krankheiten. Dieser Artikel wurde ursprünglich in der Zeitung "20 Minuten" veröffentlicht.
Dieser Artikel stammt im Original von VOGUE Deutschland und wurde von Philipp Wehsack (Beauty-Chef der VOGUE) verfasst.
Der Originalbeitrag ist hier verfügbar:
Bin ich krank, aber weiß es noch gar nicht? GANZKÖRPER-SCANS im MRT gelten als Innovation in der Gesundheitsvorsorge. SINNVOLL oder ein Geschäft mit Ängsten? Unser Beauty-Chef PHILIPP WEHSACK ging dem Thema nach.
Ich sitze im Wartezimmer und starre auf die Uhr an der gegenüberliegenden Wand. Der Sekundenzeiger bewegt sich so unerträglich langsam, dass es sich anfühlt, als würde er gleich stehen bleiben. Bald werde ich in ein MRT geschoben, werde die hämmernden Geräusche der Magnetfelder hören, denen die „Magnetresonanztomografie“ ihren Namen verdankt. Ich habe Angst. Davor, was hierbei heute herauskommen könnte.
"Ich bin nicht krank. Beziehungsweise weiß ich nicht davon, falls es so wäre. Und wenn es so wäre, möchte ich es möglichst früh wissen – sodass die Heilungschancen noch besser stehen."
Genau deshalb bin ich heute hier. Über die Website von Aeon, die mit „Früherkennung“ und „Sicherheit für deine Gesundheit“ wirbt, habe ich mir in der Partnerklinik Medneo in München einen Termin für ein Ganzkörper-MRT und eine Blutanalyse gebucht, um – wie es auf der Website heißt – in nur einem Besuch frühzeitig Krebs und über 500 weitere Auffälligkeiten zu erkennen.
„Ein Ganzkörper-MRT kann dabei helfen, eine Vielzahl von Erkrankungen und Veränderungen zu erkennen und entsprechende Handlungsempfehlungen abzuleiten. Dazu gehören Tumorerkrankungen und Metastasen, Verletzungen, Gefäßveränderungen wie zum Beispiel Aneurysmen sowie neurologische Erkrankungen wie Multiple Sklerose“, erklärt mir mein behandelnder Radiologe Dr. Felix Harder im Vorgespräch.
Er fährt fort: „Studien zeigen, dass nur ungefähr 14 Prozent aller Krebsarten durch klassische Screenings entdeckt werden.“ Das MRT könne weit mehr feststellen. Um genau zu sein: Tumoren ab einer Größe von nur einem Zentimeter. Als Ersatz für empfohlene Screenings sieht Dr. Harder MRTs dennoch nicht – vielmehr sei es eine zusätzliche Möglichkeit der Früherkennung, die vor allem in Kombination mit anderen Untersuchungen Sinn ergeben würde. Eine Blutuntersuchung gehört standardgemäß zu einem Ganzkörper-Scan bei Aeon dazu, um zum Beispiel die Blutfettwerte als Risikofaktoren für Schlaganfälle oder einen Herzinfarkt zu bestimmen. Künstliche Intelligenz gleicht die Ergebnisse beider Untersuchungen miteinander ab und soll das Risiko falsch-positiver Befunde, die präventiven Ganzkörper-Scans oft vorgeworfen werden – dazu später mehr –, schmälern.
Dr. Harder übergibt mich in das Untersuchungszimmer. Auf der Liege ist es kälter als erwartet. Mir wird etwas Blut abgenommen. Dann werde ich auch schon angeschnallt, bekomme Lärmschutzkopfhörer aufgesetzt und einen Knopf in die Hand: „Falls Sie sich unwohl fühlen, einfach drücken.“ Die Liege fährt langsam in die Röhre. Über einen kleinen Spiegel kann ich in den Raum gucken. Dann klopft, piept und dröhnt es. Ich liege wie versteinert da und habe beim Atmen Sorge, mich zu sehr zu bewegen und so die Aufnahmen zu verwackeln. Zum Glück kommt nach ein paar Minuten eine automatische Ansage: „Einatmen, ausatmen, wieder einatmen, nicht mehr atmen.“ Das gibt mir Sicherheit, alles richtig zu machen. Als die Liege schließlich aus der Röhre gefahren wird, denke ich: Das war irgendwie ganz schön anstrengend.
Schon ein paar Minuten später wirft Dr. Harder einen Blick auf die Aufnahmen meines Körpers. Dass das MRT so schnell vonstatten ging (früher dauerten solche Untersuchungen noch mehrere Stunden) und die ersten Bilder so zügig auf seinem Computerbildschirm eintreffen, liegt laut dem Radiologen mitunter an der Verwendung künstlicher Intelligenz: „Traditionell benötigt ein MRT viele Datenpunkte, um ein hochauflösendes Bild zu erzeugen. Werden weniger Daten erfasst – zum Beispiel um die Aufnahmezeit zu verkürzen –, entstehen Lücken im Datensatz, was eigentlich zu unscharfen oder unvollständigen Bildern führt. KI kann diese Lücken intelligent auffüllen“, erklärt er mir und fährt fort: „Wenn sich ein:e Patient:in während des Scans bewegt, entstehen Verzerrungen. KI-Modelle können diese Bewegungsartefakte analysieren und korrigieren.“
Schicht für Schicht kann Dr. Harder sich von der Schädeldecke bis zur Hüfte durch meinen Körper klicken. Ich darf ihm über die Schulter schauen, sehe mein Gehirn, meine Hauptschlagader, eine geschwollene Nasenschleimhaut (ich war ein paar Tage zuvor noch leicht erkältet), mein Herz, meine Leber und meine Wirbelsäule. „Sieht bis auf die Nase doch alles gut aus, oder?“, frage ich den Arzt in der Hoffnung auf ein „Sie sind kerngesund, was machen Sie eigentlich hier?“. Stattdessen bekomme ich ein „Bis hierhin ist alles unauffällig. Aber ich schaue mir die Aufnahmen zusammen mit den Ergebnissen des Blutbildes noch einmal in Ruhe an.“ Wann ich mit Informationen rechnen kann, möchte ich von ihm wissen. „Das hängt davon ab, wie schnell das Labor mit den Blutwerten ist. In der Regel dauert es drei Werktage.“
Das Zürcher Unternehmen Aeon Life wurde 2024 von Tim Seithe gegründet und hat sich auf Gesundheitschecks spezialisiert. In einem Besuch will Aeon «die Früherkennung von über 500 Gesundheitsrisiken garantieren». Eine Blutabnahme soll das Risiko von falschpositiven Befunden minimieren. Die Ergebnisse werden von Schweizer Radiologen analysiert, durch KI optimiert und innert 72 Stunden via App bereitgestellt.
Es geht gut durch die Decke. Wir haben eine sehr hohe Nachfrage.
Tim Seithe, Gründer und CEO von Aeon
Der Trend sei auch hier spürbar, so Aeon-CEO Tim Seithe: «Es geht gut durch die Decke.» Man habe eine sehr hohe Nachfrage und werde den Service bald in weiteren Schweizer Städten anbieten. Ein klares Kundenprofil gebe es nicht. «Der jüngste Kunde war Anfang 20, die älteste Kundin 83 – es gibt immer mehr Menschen, die sich proaktiv mit ihrer Gesundheit auseinandersetzen.»
Was ist ein MRI?
Eine Magnetresonanztomographie (MRI, auf Englisch: MRI) ist ein bildgebendes Verfahren, das mithilfe eines starken Magnetfelds und Radiowellen detaillierte Bilder des Körperinneren erzeugt.
Vorteile: Im Gegensatz zu Röntgen- oder CT-Scans kommt ein MRT ohne schädliche Strahlung aus. Es eignet sich besonders gut zur Darstellung von Weichteilgewebe wie Gehirn, Muskeln, Organen und Gelenken.
Anwendungsbereiche: Ein MRI wird häufig zur Diagnose von Verletzungen, Entzündungen, Tumoren oder neurologischen Erkrankungen eingesetzt. Es kann auch präventiv genutzt werden, um potenzielle Gesundheitsrisiken frühzeitig zu erkennen.
Nachteile und Grenzen: Das Verfahren ist etwas teurer und zeitaufwendiger als andere bildgebende Untersuchungen. Zudem lassen sich vor allem Lungenerkrankungen nicht zuverlässig erkennen.
Mehrere Hundert Menschen haben seit August 2024 über Aeon schon einen Scan gebucht. Den meisten von ihnen geht es dabei sicherlich wie mir um ein Gefühl von Gewissheit – von Nicht-machtlos-ausgeliefert-Sein.Damit geht es ihr wie mir – und den meisten Deutschen. Laut einer repräsentativen Umfrage des Forsa-Instituts im Auftrag der DAK aus dem Jahr 2024 haben die Menschen hierzulande immer mehr Angst vor Krankheiten.
Allen voran: Krebs. 73 Prozent der Deutschen fürchten sich davor, im Laufe ihres Lebens daran zu erkranken. Diese Sorge ist damit die häufigste Krankheitsangst in Deutschland, gefolgt von Demenz mit 55 Prozent und Schlaganfall mit 52 Prozent.Eine andere Freundin reagiert euphorisch: „Ich folge dieser einen Influencerin aus Los Angeles bei TikTok. Sie und ihr Mann machen das einmal im Jahr – danach weißt du halt alles. Ich will das auch unbedingt machen.“ Wovor sie denn Angst hätte, möchte ich wissen. „Primär Krebs“, sagt sie.Auf dem Nachhauseweg schwankt meine Stimmung zwischen Erleichterung („etwas Schlimmes hätte er ja sofort gesehen“) und Anspannung („was, wenn sich irgendwo etwas versteckt, das erst auf den zweiten oder dritten Blick sichtbar ist?“).
Am Abend treffe ich Freund:innen zum Essen und erzähle von meinem Scan. „Unnötige Strahlung, du hast doch keine Probleme“, sagt einer von ihnen. Ich kann ihn korrigieren.
Denn darüber habe ich mir im Vorfeld auch Gedanken gemacht und herausgefunden, dass bei einem MRT – anders als beim Röntgen oder einer Computertomografie (CT) – keine Strahlen zum Einsatz kommen.
Dennoch sind solche Scans nicht unumstritten. Kritiker:innen merken immer wieder an, dass MRTs extrem empfindlich seien und kleine, eigentlich harmlose Auffälligkeiten entdecken könnten, die keine Behandlung erfordern. Diese Zufallsbefunde könnten zu unnötiger psychischer Belastung führen, aber auch zu zusätzlichen Tests mit unnötiger Strahlung wie CTs und möglicherweise überflüssigen Eingriffen wie Biopsien. Die belasten nicht nur den:die Einzelne:n unnötig, sondern auch das Gesundheitssystem.
Zudem sind solche Scans teuer – bei Aeon zahlt man rund 1900 Euro. Und die Kosten werden in der Regel nicht von der Krankenversicherung übernommen. Auch die meisten Leitlinien in der Medizin empfehlen MRT-Scans nicht für Menschen ohne spezifische Symptome oder Risikofaktoren, da der direkte Nutzen – zum Beispiel frühere Erkennung von Krebs oder anderen Krankheiten – nicht ausreichend belegt ist.
Dementgegen stehen Werbeaussagen von Aeon, dass das „MRT-Screening bei Erwachsenen, die keine Krankheitssymptome aufwiesen, bei etwa einem Drittel der Patient:innen zu klinisch relevanten Befunden führte“, dass „von diesen Befunden 2,6 Prozent durch die Pathologie als invasive Krebsarten bestätigt wurden“, und dass ein „Ganzkörper-MRT dazu beitragen kann, Krebs bei Personen mit erblicher Vorbelastung frühzeitig zu erkennen“ – was die Aussichten auf langfristige Gesundheit und die Überlebenschancen deutlich verbessere.
Und in der Schweiz, wo das Unternehmen Aeon seinen Hauptsitz hat, übernehmen nun sogar Zusatzversicherungen die Kosten des Scans zu 75 Prozent. Ob das in Deutschland und Österreich auch passieren wird, bleibt abzuwarten. Aeon plant aber, die Kosten einzudämmen, um das Angebot als Präventivmaßnahme für Krankenkassen attraktiver zu machen. „Perspektivisch wird es möglich sein, die Scanzeit im MRT auf 30 Minuten, vielleicht sogar 15 Minuten zu reduzieren und dadurch die Kosten auf unter 1000 Euro zu senken“, wie mir CEO Tim Seithe am Telefon erklärt.
Bis es so weit ist, müssen Sie selbst entscheiden, ob Ihnen der Check Ihres Körpers das Investment wert ist.
Bei mir geht der Exkurs in mein Inneres gut aus. Drei Tage nach meinem Scan bekomme ich eine E-Mail: „Deine Check-up-Ergebnisse sind jetzt verfügbar! Du kannst deine Ergebnisse in unserer App einsehen.“ Ich logge mich ein. „Zwei Befunde“, steht da auf der Startseite. Ich schlucke. Hat der Arzt womöglich doch noch etwas Schlimmes entdeckt?
Zögerlich klicke ich auf den Button, um zu erfahren, dass meine Nasennebenhöhlen geschwollen und meine Mandeln vergrößert sind. Alle anderen Aufnahmen seien unauffällig. Auch meine Blutwerte sind „durch die Bank optimal“. Sicherlich hätte ich das bei meiner Hausärztin auch für weit weniger Geld herausfinden können – dann wüsste ich aber auch nicht, dass in meinem Körperinneren gerade definitiv kein Tumor wuchert. Zumindest keiner, der schon größer als einen Zentimeter ist. Und ich hätte keine Ahnung, dass ich kein Aneurysma der Hauptschlagader oder Gehirnarterien habe.
Was aber wäre gewesen, wenn mehr gefunden worden wäre – zum Beispiel Krebs? Hätte ich davon in der App erfahren? „Solche Ergebnisse besprechen wir persönlich im Post-Scan-Call. Kleinere Befunde sind in der App abrufbar – inklusive Handlungsempfehlungen“, so Dr. Harder.
Wie lange ich mich jetzt in Sicherheit wiegen kann und ob ich es bald wiederholen sollte – dazu gibt es keine eindeutige Antwort vom Experten. Auch eine offizielle Empfehlung, wie häufig der Ganzkörper-Scan sinnvoll ist, gibt es nicht; auch nicht bezüglich des Alters, ab dem man damit anfangen sollte. „Grundsätzlich gilt: je früher, desto besser. Vor allem wenn Risikofaktoren in der Familie bekannt sind oder aber ab einem Alter von Mitte 40 oder Anfang 50, wenn das Krebsrisiko statistisch steigt, würde ich persönlich dazu raten, den Scan alle ein bis zwei Jahre durchzuführen“, sagt Dr. Harder.
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